Bochum

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Philipp Bönig am Boden: diese Zeiten sind vorbei!

Diese Frage macht den eloquenten Philipp Bönig erst einmal sprachlos. Der 26-Jährige findet keine Antwort, kann nicht einmal in Ansätzen eine Erklärung anbieten für dieses Phänomen, das ihn in den vergangenen zwölf Monaten begleitet und aufgewühlt hat.

"Ich hatte mir schon gewünscht und erhofft, dass es sich bessert, aber dass sich die Geschichte so entwickelt, hatte ich wirklich nicht erwartet."

Philipp Bönigs Geschichte ist eine kuriose und ein Beleg dafür, dass im Fußball wirklich so gut wie alles möglich und so gut wie nichts kalkulierbar ist. "Es gibt ja diesen Begriff von der Schnelllebigkeit des Fußballs", sagt der Außenverteidiger des VfL Bochum, "es gibt sie tatsächlich. Ich habe es am eigenen Leib erfahren."

Sein nunmehr viertes Profijahr beim VfL hätte Bönig beinahe nicht erlebt. Zwei Wochen vor Beginn dieser Spielzeit besaß der Abwehrspieler noch keinen Vertrag, hatte dafür aber vom Verein die desillusionierende Nachricht erhalten, dass man für seine Position eine personelle Alternative suche. "Ich war deswegen nicht sauer", sagt er, "das ist doch legitim. So läuft das Geschäft." Die Alternative fand sich aber nicht. Die Folge: Bönig akzeptierte einen neuen Jahresvertrag und musste Anfragen aus Burghausen, Köln und England nicht intensiver verfolgen. "Je näher der Saisonstart rückte, desto mehr wurde es zum Nervenspiel", kennzeichnet Philipp Bönig die schwierige Situation, andererseits blieb er auch gelassen. "Ich bin ein optimistischer und positiver Typ. Ich wäre auch bei einem anderen Verein untergekommen."

Nicht wenige VfL-Sympathisanten haben das Bönig zum damaligen Zeitpunkt gegönnt. Nicht, weil sie ihm auch zukünftige berufliche Absicherung wünschten, sondern weil sie ihn rigoros von der Castroper Straße fortjagen wollten. Der gebürtige Bayer war bei den Fans als einer der Hauptverantwortlichen für den wiederholten sportlichen Niedergang des VfL Bochum auserkoren worden. Es wirkte, als sei Bönig allein verantwortlich für den Abstieg 2005. Das ihm dafür zugedachte Strafmaß war beträchtlich. "Ich habe damals nicht gut gespielt und auch meine eigenen Ansprüche nicht erfüllt", gibt Bönig ehrlich zu, "aber die Anfeindungen der Fans und die oft unter die Gürtellinie zielende Kritik haben mich extrem belastet. Ich habe damals in einem tiefen Loch gesteckt."

Daraus hat er sich wieder befreien können. Rückhalt gaben ihm Lebensgefährtin Tanja und Tochter Emily. Hilfreiche Unterstützung boten auch die vielen Gespräche mit den Eltern und den ebenfalls Fußball spielenden Brüdern. "Zieh das Ding durch", haben sie ihm bayerisch geradlinig geraten. "Es war eine Kopfsache. Ich wusste, dass ich es kann. Und ich wusste, dass ich es nur auf dem Platz ändern kann." Mit bemerkenswertem Erfolg.

Malocher-Mentalität

17 von 17 möglichen Begegnungen hat Philipp Bönig in dieser Hinrunde gespielt. Meistens solide, immer mit großer Einsatzbereitschaft und erkennbar gestiegenem Selbstvertrauen. Dafür lieben ihn plötzlich die Fans, beklatschen seine Aktionen und feiern ihn als einen der wenigen im Kader mit Sprechchören. Philipp Bönig präsentiert Bochums Anhängern die Basiswerte des Fußballs. Bönig rennt, kämpft, grätscht, scheut keine Zweikämpfe und ist, wenn es die Situation erfordert, auch rücksichtslos gegen sich selbst. Der Verteidiger verkörpert auf dem Platz die dem Ruhrpott immer wieder zugeschriebene Malocher-Mentalität. Bönig bewegt sich damit in den Spuren von Hermann Gerland. "Der Tiger", wie sie den rustikalen Verteidiger nannten, garantierte mit seinem bedingungslosen Einsatz über viele Jahre die Unabsteigbarkeit des VfL Bochum. An der Castroper Straße wurde er deshalb zur Legende.

Beim FC Bayern, bei dem Gerland heute als Trainer arbeitet, kamen sich beide ziemlich nahe, "auch wenn er dort nicht mein Trainer war", erzählt der Verteidiger. "Gerland legt viel Wert auf taktische Schulung, aber er flößt den Spielern auch die Kämpfermentalität ein. Wer nicht 90 Minuten Gas gibt, der kriegt ein echtes Problem mit ihm."

In die Führungsriege

In der Rückrunde warten jetzt 17 weitere Spiele auf Philipp Bönig. Und nur ein Ziel: der Klassenerhalt. "Unsere Situation ist nicht so dramatisch, wie noch beim Abstieg vor zwei Jahren", glaubt der Defensivkicker, "wir hatten damals nicht annähernd so gute Spieler wie jetzt." Philipp Bönig darf sich längst zu den Besseren im VfL-Kader zählen, will deshalb die hierarchischen Strukturen aber nicht renovieren. "Das ist beim VfL gut gelöst", behauptet er, hätte aber auch kein Problem damit, in die Führungsriege um Zdebel, Maltritz und Meichelbeck eingereiht zu werden. "Ich traue mir das zu. Aber auf dem Platz muss sowieso jeder ein Führungsspieler sein."

Offen und ehrlich sind die Leute im Revier, sagt man. Das ist angenehm, wenn man Zuspruch spüren darf. Aber auch schwer zu verdauen, wenn die volle Wucht der Abneigung zuschlägt. "Ich bin trotzdem immer noch begeistert von dieser Mentalität", sagt Philipp Bönig, "auch wenn es weh tut, von den eigenen Fans beschimpft und angegriffen zu werden." Er hat seine bayerische Hartnäckigkeit dagegen gesetzt. "Ich habe damals alles, was war, abgeschüttelt, mich auf das Wesentliche konzentriert und mich in kleinen Schritten wieder nach oben gearbeitet."

Diese Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt. Einen weiteren mentalen Kraftakt möchte sich Philipp Bönig jedoch ersparen: "Sollte so eine Situation noch einmal vorkommen, weiß ich, wie ich damit umzugehen habe. Ich würde es nicht mehr so nahe an mich heran lassen. Aber ich hoffe, dass es erst gar nicht wieder passiert." Es wäre für den Verteidiger die ehrlichste Variante, Fragen nach Erklärungen für das Bönig-Phänomen abzuwehren.

Quelle: Westline

Heute zählt der Konjunktiv nicht mehr, heute sollte die Mannschaft am Besten elf Philipp Bönigs haben.
Mannschaftssport lebt von der Zusammenarbeit, vom Teamgeist und vom Fairplay. Man lernt, Verantwortung für seine Handlungen und die seiner Kameraden zu übernehmen,auf dem Spielfeld und natürlich im normalen Leben.
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