Philipp Bönig:


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BEHARRLICH & FLEXIBEL 

Man könnte meinen, er sei in seinem Element. Die Schutzbrille über den Augen, den Mundschutz angelegt,
führt Philipp Bönig ein filigranes Bohrgerät an eine Kunststoffohrmuschel heran und feilt wenige Millimeter
heraus. Noch nicht ganz zufrieden setzt er sein Handwerkszeug erneut an, begutachtet das Ergebnis und
nickt zustimmend. Seine Beharrlichkeit zahlt sich nicht nur auf dem Spielfeld aus.


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Auch in seinem Lehrberuf Hörgeräteakustiker
muss er diese Eigenschaft und darüber
hinaus eine Menge Flexibilität an den
Tag legen. Zwei der zahlreichen Tugenden,
über die der gebürtige Bayer verfügt
und die sein Fußballspiel mit seiner Ausbildung
verbindet.
Philipp Bönig trifft einen alten Freund. Kai
Weiß ist Hörgeräteakustikermeister und
betreibt in Dortmund ein Geschäft für Hörakustik.
Kennen gelernt haben sich die
Beiden vor vielen Jahren in der Berufsschule
in Lübeck und offensichtlich einiges
zusammen erlebt. „Es gibt in ganz
Deutschland nur eine Berufschule, die
Unterricht für unseren Beruf erteilt. Also
mussten wir in regelmäßigen Abständen
für vier Wochen nach Lübeck und hatten
Blockunterricht“, erzählt Philipp schmunzelnd,
denn „in den vier Wochen war natürlich
allerhand los.“
Das sich nur eine Berufschule der Ausbildung
zum Hörgeräteakustiker widmet,
kommt nicht von ungefähr. Kaum jemand
weiß überhaupt, dass dieser Beruf existiert.
„Das ging auch mir so. Ich habe bei
meiner Suche nach einem Ausbildungsplatz
allerhand ausprobiert. Aber zum
Beispiel bei meinem Praktikum in einer
Bank habe ich mich gar nicht wohl gefühlt.
Dann habe ich mich bei einem
Zahntechniker beworben. Aber dort wurde
es nichts, weil ich als Fußballer beim
FC Bayern zu häufig im Betrieb gefehlt
hätte,“ erinnert er sich, „Eine Bekannte
meiner Familie erzählte dann, dass sie in Freising als Hörgeräteakustikerin arbeitet.
Also habe ich mich in Erding bei Kind Hörgeräte
vorgestellt und die haben mich
zum Praktikum eingeladen.“
Nur drei Tage brauchte es, um Philipp von
dieser Ausbildung zu überzeugen. „Das
Berufsbild des Hörgeräteakustikers ist
sehr abwechslungsreich. Es ist technisch
anspruchsvoll, man hat viel mit Menschen
zu tun, muss aber auch mathematisch
und handwerklich begabt sein“, führt er
aus und fügt hinzu, „einzig die Geschichte
mit der Berufschule war problematisch,
weil es damals mit dem Fußball immer
intensiver wurde und ich auch mit den
Auswahlmannschaften viel unterwegs
war. Ich muss sowohl meinem Ausbildungsbetrieb
als auch dem FC Bayern
sehr dankbar sein, dass sie mir das so ermöglicht
haben.“
Beim FC Bayern reifte der Linksfuß unter
Kurt Niedermayer zu einem Linksverteidiger,
der insgesamt drei Mal ins Team
2006 berufen wurde. Angefangen hat
Philipp allerdings bei Eintracht Freising als
Torwart in der F-Jugend. Nach kurzer Zeit
wechselte er auf die linke offensive Seite
und entwickelte Torjägerqualitäten. Wenn
er daran zurückdenkt, wird er erstmals
richtig ärgerlich: „Ich war schon so häufig
so nah dran, auch endlich für den VfL ein
Tor zu erzielen. Mal wurde ein Freistoß
noch abgeblockt oder ein Kopfball auf der
Linie geklärt. Ich will es nicht erzwingen,
sondern den richtigen Moment erwischen.“


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In jungen Jahren spielte er auch mehrfach
mit einem seiner beiden Brüder zusammen.
„Damals war Sebastian, der heute
als Kapitän bei Union Berlin aktiv ist, Libero
und ich spielte einen verkappten
Vorstopper. Sebastian ist eigentlich derjenige
von uns mit dem größten Talent und
wenn er nicht soviel Pech mit Verletzungen
gehabt hätte, wäre er wahrscheinlich
vor mir Profi geworden. In der sportbegeisterten
Familie Bönig gibt es noch einen
weiteren Fußballer: Fritzi, der jüngste Bruder,
spielt in der Jugend des FC Bayern
und auch ihm wird ein großes Talent zugesprochen.
„Aber unsere Eltern haben
uns nie unter Druck gesetzt und zum Fußball
getrieben. Für sie war immer wichtig,
dass wir eine vernünftige Ausbildung abschließen
und mit Spaß bei der Sache
sind.“
Nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitete
er noch ein halbes Jahr als Geselle
bei Hörgeräte Kind in Erding. Danach fiel
die endgültige Entscheidung für den Fußball,
denn beim FC Bayern spielte er in
der Regionalligamannschaft und machte
den MSV Duisburg auf sich aufmerksam.
Also folgte nach sieben Jahren beim Rekordmeister
der Wechsel in den Westen in
die Zweite Bundesliga. Für die Zebras absolvierte
er 66 Partien und erzielte zwei
Treffer, bevor er 2003 zum VfL an die Castroper
Straße wechselte. Zwar hat „Pippo“,
wie ihn die Mitglieder seiner Familie
nennen, seither nicht mehr in seinem Beruf
gearbeitet, den Kontakt zur Branche aber fast zwangsläufig nicht verloren. „In
meinem Ausbildungsbetrieb habe ich
auch meine zukünftige Frau kennen gelernt,
die damals noch Gesellin, heute sogar
Hörgeräteakustikermeisterin ist.
Außerdem habe ich noch recht guten Kontakt
zu meinen ehemaligen Kollegen aus
dem Betrieb oder der Berufschule.“
Er könnte sich sogar vorstellen, wieder in
den Beruf zurück zu kehren oder sich
nach der Karriere in dieser Branche etwas
aufzubauen. „Mit meiner Frau als Meisterin
dürfte das nicht schwer fallen“, sagt er,
„Wir haben zwar hoffentlich noch einige
Jahre Zeit und uns darüber noch nicht so
viele Gedanken gemacht, aber die Arbeit
hat mir immer Spaß gemacht.“ Daran besteht
kein Zweifel, wenn man den Vater
einer fast dreijährigen Tochter bei der Arbeit
in Weiß’ Geschäft beobachtet. Im
Akustiklabor begutachtet er die gemessenen
Werte beim Hörtest und erstellt Diagramme,
mit deren Hilfe die Hörgeräte
exakt auf die Patientenbedürfnisse eingestellt
werden. Eine Station weiter rührt er
behände zwei Kunststoffmassen zusammen,
aus denen der Abdruck eines Ohres
geformt wird. Der Chef lobt den Gesellen
und ist versucht, seinem langjährigen
Freund einen Job anzubieten. „Pippo“
winkt lachend ab und macht sich auf den
Weg zum Verkaufstresen. Dort sind zahlreiche
Ohrmuscheln aufgereiht. „Im Vergleich
zu früher ist das alles ein wenig
kleiner und feiner geworden. Die Technik
dahinter funktioniert aber noch immer
nach dem gleichen Prinzip“, sagt er und
führt gewissenhaft vor, wie ein Hörgerät
arbeitet. Beobachtet man ihn, fallen die
geschulten Handgriffe auf. Und wenn etwas
mal nicht beim ersten Versuch wie
gewünscht klappt, folgt sofort ein weiterer,
ohne dabei hektisch oder missmutig
zu werden.
Diese Beharrlichkeit ist es auch, die den
Fußballspieler Bönig ausmacht. Im Mannschaftskreise
wird aus „Pippo“ schnell
„Rüstü“. Sein ehemaliger Mannschaftskollege Michael Bemben verpasste Philipp
diesen Spitznamen, weil er mit längeren
Haaren und Haarband dem türkischen
Nationaltorhüter ähnlich gesehen haben
soll. Als „Rüstü“ hat er beim VfL fast alles
gesehen. „Was ich bisher mit dem VfL erlebt
habe, passt eigentlich in eine ganze
Karriere. Wir haben dafür nur vier Jahre
gebraucht.“ In seiner zweiten Spielzeit in
Bochum erreichte er mit dem Team um
Thomas Zdebel, Frank Fahrenhorst, Slavo
Freier und Vahid Hashemian den fünften
Tabellenplatz und damit den Einzug in
den UEFA-Cup. Das folgende Jahr wurde
auch für den Linksverteidiger zu einer bitteren
Pille. „Es lief auch für mich alles andere
als perfekt. Ich habe in dieser Saison
unter meinen Möglichkeiten gespielt, da
gibt es nichts drumherum zu reden“, erinnert
er sich, „ich habe es immer wieder
versucht und niemals aufgesteckt.
Schließlich wusste ich ja, zu was ich in
der Lage bin.“ Die Saison beendete der
VfL mit dem Abstieg und Philipp wollte in
der kommenden Spielzeit mit aller Kraft
Wiedergutmachung betreiben.


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Es folgte der souveräne Aufstieg in die
Bundesliga, für ihn persönlich bot die Saison
aber eine durchwachsene Bilanz. „Ich
wusste immer, dass ich noch mehr kann.
Also habe ich die freie Zeit genutzt, um
komplett abzuschalten und mich auf das
Wesentliche zu konzentrieren.“ Und mit
Beginn der aktuellen Spielzeit lief es wieder
bei ihm. Trotz des nicht zufriedenstellenden
Saisonauftakts erwarb er sich
durchweg gute Noten, wirkte als einziger
Spieler bisher in allen Begegnungen mit
und wurde plötzlich auch von den kritischen
Fans im Block A gefeiert. „Das Verhältnis
zu den Fans ist mir extrem wichtig.
Gleichgültig, ob wir gewonnen oder verloren
haben, ich will mich den Fans immer
stellen. Egal, ob ich gefeiert oder ausgepfiffen
werde. Jetzt auch angefeuert zu
werden oder meinen Namen zu hören,
das spornt mich noch mehr an und zeigt mir auch, dass sich die Beharrlichkeit gelohnt
hat.“


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Philipp und seine kleine Familie fühlen
sich wohl in Bochum. Vor kurzem haben
sich seine langjährige Freundin Tanja und
er entschlossen zu heiraten. Tochter Emily
kennt das rewirpowerSTADION schon von
ihrer Geburt an und wird in Kürze die Bochumer
Kindergärten unsicher machen.
„Es sind die Kleinigkeiten, die den Unterschied
ausmachen und die Bochum für
uns perfekt machen. Wenn Emily durchs
Stadion läuft und fast alle Ordner sie mit
ihrem Namen kennen, dann bedeutet das
für uns etwas.“ Außerdem weiß der 26-
Jährige die Anstrengungen des Vereins zu
schätzen und hat miterlebt, wie „die Infrastruktur
Jahr für Jahr verbessert wurde.
Als Profi oder Jugendspieler hat man beim
VfL absolut überragende Bedingungen.

Trotz aller Professionalität ist es in der
Geschäftsstelle immer noch herzlich und
familiär.“ Diese idealen Bedingungen
empfindet er auch als Verpflichtung, sowohl
auf dem Platz als auch daneben.
„Jeder von uns, jeder Spieler, kennt das
auch anders und nimmt diese idealen Bedingungen
wahr. Genauso wenig ist das
selbstverständlich und es ist daher eine
absolute Verpflichtung für uns, alles für
den Klassenerhalt zu geben, denn mit einem
solchen Umfeld gehört man einfach
in die Bundesliga.“
Seit der B-Jugend beim FC Bayern spielt
Philipp Bönig als Linksverteidiger. Auch
ihm sind die Veränderungen im Spiel auf
dieser Position nicht verborgen geblieben.
„Früher beschränkte man sich auf dieser
Position nur auf die Defensive. Vielleicht
wurde noch ein wenig für den Spielaufbau getan, aber das war es. Heute muss
man speziell über die Außen Druck aufbauen
und viel mehr für das Offensivspiel
arbeiten. Die Außenverteidiger sind mittlerweile
zu absolut entscheidenden Positionen
geworden.“ Wenn er die von ihm
bekleidete Position beschreiben soll, hält
er kurz inne und beginnt dann zielsicher:
„In erster Linie heißt es immer noch Verteidiger.
Das ist mir auch ganz wichtig,
dass man diese Position auch als Verteidiger
versteht. Hinten ist die Aufgabe, erst
einmal gut zu stehen und gut zu verteidigen.
Das sind die Grundaufgaben eines
jeden Abwehrspielers. Wenn sich aber die
Möglichkeiten ergeben, muss sich ein guter
Außenverteidiger auch in die Offensive
einschalten. Er muss sich auf der Ballseite
mit nach vorne schieben und die Mittelfeldspieler
oder Stürmer unterstützen.
Durch Überzahlsituationen kann er mithelfen,
Druck aufzubauen und so zum
Torerfolg zu kommen.“
Philipp sind die Parallelen zu seinem erlernten
Beruf bewusst. Flexibel muss
nicht nur der Außenverteidiger „Rüstü“
Bönig auftreten, sondern auch der Hörgeräteakustiker
„Pippo“ Bönig hat die Abwechslung
in seinem Beruf geschätzt.
„Das Variable an der Position liegt mir. Ich
schätze die Zweikämpfe in der Defensive
ebenso wie den Druck, den man in der
Offensive durch ein flexibles Überzahlspiel
aufbauen kann. Du wirst nicht nur in
einem Bereich, sondern mehrfach gefordert.
Genauso ist es auch in meinem
Lehrberuf gewesen.“
Für diese Saison gibt es natürlich nur einen
fußballerischen Wunsch im Hause
Bönig und der lautet Klassenerhalt. Philipp
setzt sich darüber hinaus nur ein konkretes
Ziel: „Ich weiß, dass noch mehr in
mir drin steckt, ich kann noch mehr und
das will ich konstant zeigen.“ Seine Beharrlichkeit
hat sich schon mehrfach ausgezahlt,
und wenn man ihm so zuhört,
dann ist man sich sicher: Der packt das!

 

Quelle: VfL Bochum 

Heute zählt der Konjunktiv nicht mehr, heute sollte die Mannschaft am Besten elf Philipp Bönigs haben.
Mannschaftssport lebt von der Zusammenarbeit, vom Teamgeist und vom Fairplay. Man lernt, Verantwortung für seine Handlungen und die seiner Kameraden zu übernehmen,auf dem Spielfeld und natürlich im normalen Leben.
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